Die (patho-) physiologischen Wechselbeziehungen zwischen Mund- und Stoffwechselgesundheit erfordern auch eine gelebte interdisziplinäre Wechselbeziehung zwischen Zahnmedizinern, Diabetologen und Hausärzten.
So, die kalten Ostertage sind vorbei. Wir hoffen, Sie konnten sie trotzdem genießen. Hat sich Ihr Körbchen auch schön mit bunten und schokoladigen Ostereiern gefüllt? Oder haben Sie diesen wenig zahnfreundlichen Brauch Ihren Kindern und Enkeln überlassen? Wie auch immer, jetzt ist die Überleitung zum heutigen Thema dieses Kurzbeitrags geschafft, auch wenn es dabei nicht um Karies, sondern um Parodontitis geht.
Ein holländische Studie der Universität Amsterdam hat kürzlich auf die Erkrankung des Zahnhalteapparats als Früherkennungszeichen für die Zuckerkrankheit aufmerksam gemacht. In der universitären Zahnklinik wurden 313 Patienten ohne, mit milder bis mäßiger und mit schwerer Parodontits auf ihre HbA1c-Werte mittels Trockenbluttest hin untersucht.
Was meinen Sie, wie viele bisher undiagnostizierte Diabetes-Verdachtsfälle in diesen drei Patientengruppen identifiziert wurden?
Die nicht gerade niedrige Antwort lautet: 8,5% (ohne), 9,9% (mild bis mäßig), 18,1% (schwer). Mit der Schwere der Zahnfleischerkrankung stieg auch die Diabetes-Wahrscheinlichkeit. Weitere produzierte Zahlen schenken wir uns an dieser Stelle und verweisen dafür auf einen esanum-Beitrag zur Studie.
Einen Kausalzusammenhang kann die Beobachtungsstudie natürlich nicht herstellen. Das ist auch nicht nötig, denn die wechselseitigen Beziehungen zwischen den beiden Volkskrankheiten sind mittlerweile ganz gut erforscht. Sie sind – man könnte es kaum schöner formulieren – eng miteinander verzahnt.
Das ist leider nicht selbst wortgeschöpft, die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGPARO) war schneller dran. Zusammen mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) macht sie sich für eine gut abgestimmte Zusammenarbeit von Allgemeinärzten und Zahnärzten stark.
Ein Konsenspapier zur Wechselbeziehung zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus und die sich daraus ergebenen klinischen Implikationen wurde von Diabetologen und Parodontologen schon vor einigen Jahren erstellt. Anschließend haben beide Fachgesellschaften gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) eine Behandlungsleitlinie "Diabetes und Parodontitis" bei der AWMF angemeldet. Geplante Fertigstellung: 30.07.2017.
Also, liebe Kollegen, was ist wichtig an der neuen Studie? Dass sie uns daran erinnert, stärker interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Denn der Diabetes und die Parodontitis weisen als tückische, da schleichende Erkrankungen nicht nur die gleiche inflammatorische Basis und eine bidirektionale pathophysiologische Wechselbeziehung auf. Sie lassen sich logischerweise auch gegenseitig günstig beeinflussen: durch Prävention, Früherkennung und umfassende, eben interdisziplinäre Behandlung.
Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.
Referenz:
Teeuw WJ et al. Periodontitis as a possible early sign of diabetes mellitus. BMJ Open Diabetes Res Care 2017;5(1):e000326. doi:10.1136/bmjdrc-2016-000326.