COPD-Patienten haben ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Mit einem speziellen Score lässt es sich abschätzen. Zur einfachen Früherkennung per Bluttest ist es (hoffentlich) nicht mehr weit.
Die beiden europäischen Fachgesellschaften für Radiologie (ESR) und Lungenmedizin (ERS) empfehlen in ihrem 2015 publizierten White Paper1, jährliche Vorsorgeuntersuchungen für Menschen mit hohem Lungenkrebsrisiko einzuführen. Wie im ersten Teil dieses Beitrags dargelegt, folgen sie damit dem Beispiel mehrerer US-amerikanischer Fachgesellschaften. Die Autoren der neuen deutschen S3-Leitlinie zum Lungenkarzinom2 geben differenzierte "Kann"-Empfehlungen für den Einsatz der Low-Dose-Computertomografie bei asymptomatischen Risikopersonen.
Die COPD zählt als ein zusätzlicher Risikofaktor für die Entwicklung von Lungenkrebs. Das leuchtet ein, aber wie kann man das Risiko für den individuellen Patienten etwas genauer abschätzen? Eine Gruppe von spanischen und US-amerikanischen Wissenschaftlern hat vor wenigen Jahren den COPD Lung Cancer Screening Score (COPD-LUCSS) als Screening-Instrument entwickelt und im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine publiziert3.
Dazu analysierten die Forscher zwei größere Datenbestände, wobei sie nur Patienten mit spirometrischem COPD-Befund berücksichtigten. Aus den Daten der Pittsburgh Lung Screening Study (PLuSS) wurden mittels logistischer Regression Faktoren identifiziert, die mit dem Auftreten von Lungenkrebs unabhängig assoziiert waren. Aus diesen risikosteigernden Faktoren, denen jeweils eine bestimmte Punktezahl zugemessen wird, baut sich der Score auf. Mit der Anwendung auf den Datensatz des Pamplona International Early Lung Cancer Detection Program (P-IELCAP) konnte der Score erfolgreich validiert werden.
Risikokategorien:
Ein limitierender Faktor für den Einsatz dieses Scores in der Praxis könnte das Erfordernis der radiologischen Bildgebung sein. Deshalb zeigte die Forschergruppe in einer weiteren Arbeit4, dass an deren Stelle auch auf die Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO) als gut korrelierender Surrogatmarker für ein Emphysem zurückgegriffen werden kann. In diesem Fall reicht das Punktespektrum von 0–8. In der Hochrisiko-Gruppe (3,5–8 Punkte) war das Lungenkrebs-Sterberisiko 2,4-mal höher als in der Niedrigrisiko-Gruppe (0–3 Punkte).
Ob mit diesem Score oder anhand der Leitlinien-Empfehlungen oder anderen geeigneten Kriterien zur gezielten Früherkennung: Mit der Lungenkrebsgefahr und den damit verbundenen Patientenängsten sollte proaktiv umgegangen werden. Darauf weist auch ein Leserkommentar zum ersten Teil des Beitrags völlig zu Recht hin.
Möglicherweise kommt demnächst richtig Bewegung in das Thema Lungenkrebs-Screening: Stichwort Liquid Biopsy. Dabei geht es um den Nachweis von tumorspezifischer DNA oder zirkulierenden Krebszellen in Körperflüssigkeiten. Im esanum Onkologie-Blog wird die Krebsdiagnostik per Blutentnahme in einem aktuellen Beitrag ganz schön beschrieben. In diesem Blog hatten wir uns schon mal Ende 2016 mit dem Potenzial der Flüssigbiopsie als Instrument zur frühzeitigen Therapiekontrolle beim Lungenkarzinom beschäftigt.
Beim diesjährigen ASCO in Chicago wurden Studienergebnisse vorgestellt, die zeigen, dass sich mit dem Bluttest nicht nur späte, sondern auch frühe Stadien von Bronchialkarzinomen nachweisen lassen. In die CCGA-Studie (Circulating Cell-free Genome Atlas) wurden bereits 12.000 der gewünschten 15.000 Teilnehmer rekrutiert (70 % mit, 30 % ohne Krebs). In einer vorgeplanten Subanalyse wurden die Proben von 127 Patienten mit Bronchialkarzinom und von 580 Kontrollpersonen ohne Malignom untersucht. Dabei kamen drei Prototypen von molekularbiologischen Verfahren zum Einsatz:
Das Krebssignal war in der Subanalyse über alle drei Testmethoden hinweg vergleichbar und nahm mit der Tumorprogression zu. Bei einer Spezifität von 98 % konnten die Bronchialkarzinome je nach Krebsstadium und Testverfahren mit folgender Sensitivität aufgespürt werden:
Bei der Subanalyse ging es erstmal um die Machbarkeit, die damit belegt ist. Die Rate an falsch positiven Befunden war mit < 1 % erfreulich niedrig. Von den 580 Kontrollproben wiesen fünf ein krebsähnliches Signal in allen drei Testansätzen auf. Bei zwei der fünf Teilnehmer wurde im Anschluss tatsächlich eine Krebsdiagnose gestellt (Ovarial- und Endometriumkarzinom im Stadium 3 bzw. 2).
Als eine potenzielle Fehlerquelle für falsch positive Befunde, die in Zukunft berücksichtigt werden wird, machten die Forscher Mutationen in Leukozyten aus, die mit den molekulabiologischen Tests ebenfalls detektiert werden.
Lungenkrebs-Screening einfach per Bluttest – dieser Fortschritt scheint zum Greifen nah.
Referenzen:
1. Kauczor HU. et al. ESR/ERS white paper on lung cancer screening. Eur Respir J 2015;46(1): 28-39.
2. S3-Leitlinie Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms. 2018. AWMF-Registernummer: 020/007OL
3. de-Torres J P et al. Lung Cancer in Patients with Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Development and Validation of the COPD Lung Cancer Screening Score. Am J Respir Crit Care Med 2015;191(3):285-91
4. de-Torres J P et al. Identification of COPD Patients at High Risk for Lung Cancer Mortality Using the COPD-LUCSS-DLCO. Chest 2016;149(4):936-42
Abkürzungen:
ASCO = American Society of Clinical Oncology bzw. deren Jahrestagung
BMI = Body Mass Index
ERS = European Respiratory Society
ESR = European Society of Radiology