Können Antikörper COPD-Exzerbationen verhindern?

Etwa ein Drittel der COPD-Patienten erleidet auch unter Dreifachtherapie mit LAMA/LABA/ICS Beschwerden und Exazerbationen. Ein erheblicher Teil dieser Patienten weist einen "eosinophilen Phänotyp" (Bluteosinophilen-Zahl über 150–200 Zellen/μl) auf. Könnten hier die Asthma-Biologika von therapeutischem Nutzen sein?

Etwa ein Drittel der COPD-Patienten erleidet auch unter Dreifachtherapie mit LAMA/LABA/ICS Beschwerden und Exazerbationen. Ein erheblicher Teil dieser Patienten weist einen "eosinophilen Phänotyp" (Bluteosinophilen-Zahl über 150–200 Zellen/μl) auf. Könnten hier die Asthma-Biologika von therapeutischem Nutzen sein?

Die Antwort auf diese Frage finden Sie am Ende des Beitrags. Wir fangen erstmal mit ein paar aktuellen Zahlen zur COPD- (und Asthma-) Entwicklung an.

COPD-Diagnoseprävalenz: Anstieg um ein Viertel in 8 Jahren

Die COPD gehört bekanntermaßen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland und ihre Häufigkeit nimmt noch weiter zu. Die geschlechts- und altersstandardisierte Diagnoseprävalenz lag im Jahr 2009 bei 5,1%. Im Alter über 40 Jahre waren gut 2 Millionen von gut 40 Millionen GKV-Versicherten betroffen. In den folgenden 8 Jahren ist die Häufigkeit der Diagnosen um ein Viertel gestiegen – auf 6,4% in 2016. Das hat das ZI in seinem Versorgungsatlas-Bericht Nr. 19/06 „Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) in der ambulanten Versorgung in Deutschland – Zeitliche Trends und kleinräumige Unterschiede“ im August mitgeteilt.

2017 scheint sich das hohe Niveau stabilisiert zu haben. In der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen betrug die Diagnoseprävalenz im Jahr 2017 1,3%, bei den 85- bis 89-Jährigen 14%. Mit einem weiteren Ansteigen der altersassoziierten Erkrankung ist demografisch bedingt zu rechnen. Die ZI-Analyse ergab erhebliche kleinräumige Unterschiede auf Landkreisebene. Spitzenreiter bei der Diagnose-Häufigkeit war der Kreis Osterode am südwestlichen Harzrand mit 10,6% (seit 1. November 2016 fusionierter Bestandteil des neuen Landkreises Göttingen). Am anderen Ende der Skala fand sich mit großem Abstand der an der Schwäbischen Alb gelegene Kreis Reutlingen mit 3,1%. Als besonders betroffen erwiesen sich die Bundesländer Niedersachsen und Thüringen.

GKV-Umsatz für Asthma/COPD-Medikamente bei fast 1,3 Milliarden Euro

Über den ZI-Bericht zur Zunahme der Asthma-Diagnoseprävalenz im gleichen Zeitraum (um mehr als ein Drittel bei den Erwachsenen) haben wir Anfang des Jahres berichtet. Von der Epidemiologie zu den Kosten: Der GKV-Gesamtumsatz für Medikamente bei obstruktiven Atemwegserkrankungen (ATC Klasse-R03) ist natürlich auch angewachsen, und zwar aktuell (Juli 2018 bis Juli 2019) um 2,4% auf 1,28 Milliarden Euro (gemäß Abgabepreisen der pharmazeutischen Unternehmen). Das hat das Marktforschungsunternehmen Insight Health herausgefunden. Mit Asthma- und COPD-Verordnungsdaten haben wir uns ja erst kürzlich befasst.

Laut der Marktanalyse von Insight Health sieht es im Arzneimittelmarkt für obstruktive Atemwegserkrankungen gegenwärtig so aus:

Biologika: 0,3% der Verordnungen, mehr als 10% vom Umsatz

Zum letzten Punkt heißt es von Insight Health: "Nur rund 0,3% der Rezepte werden mit den gentechnisch hergestellten Interleukin-Hemmern ausgestellt, jedoch bestreiten diese mehr als 10% des Umsatzes. Zurzeit befinden sich zwei monoklonale Antikörper zur Anwendung bei obstruktiven Atemwegserkrankungen in der klinischen Phase III, wie eine weitere INSIGHT Health-Analyse ergeben hat (Quelle: SHARK Patentdatenbank, INSIGHT Health)."

Ein nicht untypisches Motto in der Verordnungspraxis, wenn es um innovative Präparate geht: selten, aber teuer. Dem Hinweis auf die monoklonalen Antikörper in klinischer Prüfung können wir jetzt nicht weiter nachgehen, er bringt uns aber zum eigentlichen Punkt dieses Beitrags. Denn es geht um das Ergebnis zweier großer Phase-III-Studien zu einem Antikörper, besser gesagt um vier Phase-III-Studien zu zwei Antikörpern.

Unseren jüngsten Beitrag zur Biologika-Therapie beim schweren eosinophilen Asthma widmeten wir der Frage, ob man von einem Antikörper auf den anderen umsteigen kann und wie. Eine weitergehende Frage ist, ob die für Asthma zugelassenen Antikörper eventuell auch bei COPD von Nutzen sein könnten. Der Nachweis einer hohen Bluteosinophilie bei COPD ist therapierelevant und wird mittlerweile weithin als Biomarker für ein erhöhtes Exazerbationsrisiko und das Ansprechen von inhalativen Kortikosteroiden genutzt, was auch Eingang in die neuesten COPD-Leitlinien gefunden hat.1

In den zwei komplementären Phase-III-Studien GALATHEA und TERRANOVA wurde untersucht, ob sich mit dem gegen den IL-5-Rezeptor gerichteten Antikörper Benralizumab

die Exazerbationsrate reduzieren lässt. Die kürzlich publizierte Antwort lautet knapp zusammengefasst: Nein, obwohl es zu einem deutlichen Rückgang der Eosinophilen-Zahl im Blut kam.2

Reduzieren Antikörper das Exazerbationsrisiko bei COPD?

Die durchschnittlichen jährlichen Exazerbationsraten waren unter Benralizumab-Behandlung auch überwiegend reduziert, allerdings nicht signifikant:

Die vor zwei Jahren zur gleichen Frage publizierten Ergebnisse mit dem IL-5-Antikörper Mepolizumab sahen etwas günstiger aus. In die Phase-III-Studien METREX und METREO wurden COPD-Patienten eingeschlossen, die sich zu 95% im GOLD-Stadium D befanden (CAT-Wert durchschnittlich bei 19). Sie hatten in den 12 Monaten vor der Studienteilnahme trotz Triple-Behandlung im Schnitt 2,5 moderate oder schwere Exazerbationen erlitten.3

Die Bluteosinophilen-Zahlen unterschieden sich in den einzelnen Gruppen, es wurde folgendermaßen stratifiziert: ≥ 150/µl bei der Studienselektion oder ≥ 300/µl während des Vorjahres.3

Kein signifikanter Effekt bei Benralizumab, aber bei Mepolizumab

Die durchschnittlichen jährlichen Exazerbationsraten waren unter Mepolizumab im Vergleich zu Placebo reduziert. In der Kohorte der METREX-Studie mit eosinophilem Phänotyp fand sich mit 1,40 versus 1,71 eine signifikante Differenz. Der Nutzen der Mepolizumab-Therapie war mit der Höhe der Eosinophilen-Werte assoziiert.3  

Wie auch immer: Beide Antikörper sind bisher nur für die Indikation Asthma zugelassen. Ganz durchschaut ist die Sache mit den Eosinophilen bei der COPD ohnehin noch nicht: Eine aktueller Review merkt dazu an, dass die Gründe, die Variationen und die offenbar kontroversen Outcome-Effekte einer erhöhten Eosinophilen-Zahl noch unklar sind. Während ICS das Exazerbationsrisiko senken, nicht aber die Bluteosinophilen-Zahl, ist es bei den Biologika tendenziell anders herum. Die Rolle der Eosinophilen bei Asthma könnte sich, so die Autoren, von der bei COPD unterscheiden.1

Außerdem spiegeln hohe Zahlen an Bluteosinophilen nicht die Zahl der Eosinophilen im Lungengewebe wider, so die Autoren. Sie sind nicht notwendigerweise (bzw. nicht in allen Studien) mit schlechteren Ergebnissen für die Patienten assoziiert und "könnten sogar nützlich sein". Im Abstract der Studie heißt es: „Eine Reduzierung der Eosinophilen-Zahl könnte schädlich sein, da COPD-Patienten mit relativ hoher Eosinophilen-Zahl eine bessere Lungenfunktion, eine höhere Lebensqualität, weniger Infektionen und ein längeres Überleben aufweisen. Diese Effekte hängen wahrscheinlich mit der Rolle der Eosinophilen bei der Immunantwort gegen Pathogene zusammen.“1

Das Thema bleibt auf jeden Fall spannend.

Referenzen:
1. Tinè M et al. Reassessing the Role of Eosinophils as a Biomarker in Chronic Obstructive Pulmonary Disease. J Clin Med 2019;8(7):962. doi:10.3390/jcm8070962
2. Criner GJ et al. Benralizumab for the Prevention of COPD Exacerbations. N Engl J Med 2019;381:1023-34
3. Pavord ID et al. Mepolizumab for Eosinophilic Chronic Obstructive Pulmonary Disease. N Engl J Med 2017;377:1613-29

Abkürzungen:
ATC R = anatomisch-therapeutisch-chemisches Klassifikationssystem Respirationstrakt
CAT = COPD Assessment Test
COPD = chronisch obstruktive Lungenerkrankung
GKV = Gesetzliche Krankenversicherung
ICS = inhalative Kortikosteroide
IL = Interleukin
LABA = langwirksames Beta-2-Sympathomimetikum (long acting beta-2 agonist)
ZI = Zentralinstitut für die kassen­ärztliche Versorgung in Deutschland