Im Frühjahr lieber nur geschützter Sex?

Spielt es für die Lungengesundheit im späteren Leben eine Rolle, zu welcher Jahreszeit man geboren wird? Auf diese Frage und eine Antwort sind wir bei der Recherche zum letzten Beitrag gestoßen.

Spielt es für die Lungengesundheit im späteren Leben eine Rolle, zu welcher Jahreszeit man geboren wird? Auf diese Frage und eine Antwort sind wir bei der Recherche zum letzten Beitrag gestoßen.

Einflussfaktoren in den ersten Lebensjahren wirken sich auf die Anfälligkeit für Lungenerkrankungen im Erwachsenenalter aus. Das leuchtet ein. Die wissenschaftliche Evidenz ist allerdings – jenseits der rauchenden Mutter, die der pulmonalen Integrität ihres Kindes schadet – noch begrenzt, das Forschungsgebiet vergleichsweise jung. Wir bleiben noch beim Thema und reichen eine weitere Verhaltensmaßnahme nach, mit der der frühen negativen Programmierung der späteren Lungengesundheit möglicherweise vorgebeugt werden könnte: weniger Kinder im Frühjahr zeugen.

Europäische Bevölkerungskohorten für die pneumologische Langzeitbeobachtung

Zwei Jahre vor der im letzten Beitrag referierten Langzeitstudie aus Down Under wurde eine Auswertung von Daten zweier europäischer Kohortenstudien (SAPALDIA und ECRHS) mit koordiniertem Design und gemeinsamen Standards veröffentlicht1. Das Ergebnis: Ein Geburtstermin in den Wintermonaten war mit einer rascheren Lungenalterung bzw. Abnahme der Lungenfunktion (FEV1) assoziiert. Die adjustierte jährliche Differenz der Einsekundenkapazität während der Nachbeobachtung betrug -2,04 ml.

Laut dem multinationalem Autorenteam um Prof. Cecilie Svanes von der norwegischen Universität Bergen war der Zusammenhang stark und über europäische Regionen hinweg konsistent. Ihrer Meinung nach sollte diese Beobachtung die Erforschung von zugrundeliegenden Mechanismen befeuern.

"Starker" Zusammenhang: schnellere Lungenalterung bei Winterkindern

Als eine mögliche Erklärung führen die Wissenschaftler die schon früher vermuteten Bezüge zwischen einer Wintergeburt und der intrauterinen Exposition gegenüber Viren und Allergenen sowie einer erhöhten Rate an Atemwegsinfekten in den ersten Lebensmonaten an. Beides könnte die spätere Entwicklung des Immunsystems maßgeblich beeinflussen. Außerdem kommt der im Winter häufigere maternale Vitamin-D-Mangel als Negativfaktor in Frage, der auch schon im Zusammenhang mit kindlichem Asthma diskutiert wurde.

Schließlich betonen die Autoren, dass bei der saisonalen Betrachtung der Geburt auch die jahreszeitlichen Aspekte von Konzeption und Schwangerschaft zu berücksichtigen sind. Das ist wohl wahr und hat uns zu dem nicht ganz ernst gemeinten, eingangs formulierten "Präventionsvorschlag" verleitet.

Ausgewertet wurden übrigens die Daten von fast 13.000 Kohorten-Teilnehmern, davon annähernd die Hälfte aus der Schweiz (SAPALDIA). Die Männer und Frauen waren zwischen 28 und 73 Jahre alt und nach der Rekrutierung in den frühen 1990er Jahren längere Zeit nachbeobachtet worden. Es lagen die Spirometriedaten von zwei Messungen im Abstand von 9–11 Jahren sowie Angaben zu frühkindlichen Expositionen, Gesundheit und Lebensstil vor.

Auch ungünstig: höheres Alter und Rauchen der Mutter

Als negative Einflussfaktoren wurde neben einem winterlichen Geburtstermin das Alter der Mutter (FEV1/Jahr-Differenz: -1,82 ml) ermittelt. Möglicherweise spielen dabei maternale Alterserscheinungen oder die häufigeren Schwangerschaftskomplikationen und Kaiserschnitt-Geburten bei älteren Müttern eine Rolle. Im gleichen Umfang wie das Alter hing das mütterliche Rauchen mit einer späteren Lungenfunktionsabnahme beim adulten Spross zusammen (-1,82 ml). Beide Faktoren potenzierten die schädlichen Effekte des persönlichen Rauchens.

Als "protektiv" bzw. assoziiert mit einer verlangsamten Lungenalterung im Vergleich zu Altersgenossen erwies sich der Krippen- bzw. Kitabesuch (3,98 ml) und auch der kindheitliche Umgang mit einem Haustier (0,97 ml). Die Effekte waren in jedem Alter unabhängig von einer Asthma-Erkrankung.

Die Beobachtungen korrespondieren mit früheren Forschungsarbeiten zur Lungengesundheit in jüngeren Populationen, insbesondere bezüglich allergischer Erkrankungen. Die genannten, hauptsächlich im Kontext der Hygiene-Hypothese diskutierten Schutzfaktoren scheinen langfristige Modifikationen des Immunsystems induzieren zu können.

"Protektive Effekte": Kita, Haustier, ältere Geschwister

Ein Ergebnis dieser Kohortenstudie ist auch noch interessant: der Einfluss von Geschwistern (zur Erinnerung: assoziativ, nicht kausal belegt!). Im Abstract der Publikation werden "jüngere Geschwister" mit der höchsten durchschnittlichen FEV1/Jahr-Differenz (-2,61 ml) unter den ungünstigen Expositionen in der frühen Lebensphase aufgelistet. Im Diskussionsteil des Volltexts wird die Existenz älterer Geschwister dagegen neben Kitabesuch und Haustierhaltung unter die – von den Autoren selbst in Anführungszeichen gesetzten – "protektiven Effekte" eingereiht.   

Der nächste präventive Ratschlag heißt demnach: nicht nur ein Kind zeugen. 

Referenzen:
1. Dratva J et al. Early Life Origins of Lung Ageing: Early Life Exposures and Lung Function Decline in Adulthood in Two European Cohorts Aged 28-73 Years. PLoS One 2016;11(1):e0145127. doi:10.1371/journal.pone.0145127

Abkürzungen:
FEV1 = forciertes exspiratorisches Volumen in einer Sekunde (Einsekundenkapazität)