Eine oft unerkannte Ursache für Hämoptysen

Eine junge Frau wird mit Hämoptysen, aber ohne weitere Symptome, in einer Notaufnahme vorstellig. Ihr Problem ist weder onkologischer, noch infektiologischer Natur...

Eine junge Frau wird mit Hämoptysen, aber ohne weitere Symptome, in einer Notaufnahme vorstellig. Ihr Problem ist weder onkologischer, noch infektiologischer Natur...

Eine 26-jährige Frau wird wegen Bluthustens in einer Notaufnahme vorstellig. Die Sauerstoffsättigung lag bei 100% unter Raumluft. Bei der körperlichen Untersuchung war die Lunge frei. Die native Computertomographie (CT) des Brustkorbs zeigte einen 11 mm messenden, milchigen, kavitären Knoten im rechten Unterlappen. Im Rahmen einer videounterstützten thorakoskopischen Keilresektion wurde eine rötlich-braune Läsion festgestellt.1 

Ein unterdiagnostiziertes Krankheitsbild

Zum Zeitpunkt der Bildgebung befand sich die Patienten am dritten Tag ihres Menstruationszyklus. Die histopathologische Analyse ergab Endometriumdrüsen und Stroma und die Diagnose einer thorakalen Endometriose wurde gestellt. 

Etwa 5% bis 15%2 der Frauen im reproduktiven Alter leiden an einer Endometriose, die einen der häufigsten Gründe für stationäre Aufenthalte in der Gynäkologie darstellt.3 Die extrapelvine Endometriose galt früher als selten, aber wurde mittlerweile in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen nachgewiesen.4 Ein thorakales Endometriose-Syndrom (TES), also das Wachstum von Endometriumgewebe im Lungenparenchym, den Atemwegen oder auf der Pleura, manifestiert sich am häufigsten mit einem katamenialen (um den Zyklusbeginn auftretenden) Pneumothorax (73%), aber auch katamenialem Hämatothorax (14%), katamenialen Hämoptysen (7%) oder Lungenknötchen (6%).2 Ein katamenialer Pneumothorax kann andere Ursachen haben, aber die Ursache für einen katamenialen Hämatothorax ist immer eine thorakale Endometriose.5 Brustschmerzen, Dyspnoe und Husten in engem Zusammenhang mit der Menstruation werden als typische Symptome beschrieben.2

Eine Übersichtsarbeit aus 2020, die 179 Studien und Fallberichte einschloss, berichtete über 628 Fälle eines TES.4 Der Altersgipfel liegt bei 23 Jahren. Die häufigste Lokalisation war eine einzelne diaphragmatische Läsion (44,5%). Zumeist tritt ein TES rechtsseitig auf (80–92%).2,5

Die Latenz bis zur Diagnosestellung und die Dunkelziffer sind hoch, da zuweilen nur leichte oder unspezifische Beschwerden bestehen können und eine rein klinische Diagnose zwar möglich, aber schwierig ist. Eine videoassistierte Thorakoskopie (VATS) gilt als Goldstandard für die Sicherung der Diagnose. Histologisch zeigen sich Endometriumdrüsen oder Stroma und immunhistochemisch eine positive Kernfärbung für Östrogen- oder Progesteronrezeptoren.

Eine schwer zu diagnostizierende Entität

Es kann schwierig sein, den zeitlichen Bezug zwischen den Merkmalen der TES und der Menstruation herzustellen. Durch den Vergleich der Befunde zum Zeitpunkt der Menstruation versus der Mitte des Zyklus kann die Bildgebung dazu beitragen, den zeitlichen Zusammenhang zu dokumentieren.
Wie knifflig die Diagnose eines TES ist, wird auch durch Intervalle von bis zu vier Jahren zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose deutlich.5 So war es auch bei unserer Patientin aus dem aktuellen Fallbericht im New England Journal of Medicine: in den vorangegangenen 4 Jahren hatte sie intermittierende Episoden kleinvolumiger Hämoptysen gehabt, die mit ihren Menstruationszyklen zusammenfielen. Sie hatte keine anderen Beschwerden im Abdomen oder Becken.1

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen thorakaler Endometriose, pelviner Endometriose und Unfruchtbarkeit. 50–84% der Frauen mit Beckenendometriose haben gleichzeitig eine thorakale Endometriose2 und die Endometriose-Inzidenz kann bei unfruchtbaren Frauen bis zu 50% betragen.5
Mehrere Faktoren scheinen das Risiko der Entwicklung eines TES zu erhöhen, darunter eine frühe Menarche, Nulliparität und ein kurzer Menstruationszyklus. Diese erhöhen das Risiko aufgrund der verstärkten Exposition gegenüber hohen Konzentrationen von zirkulierendem Östradiol, das die Entwicklung von Endometriumgewebe fördert.2

Daran denken!

Bei Frauen im gebärfähigen Alter, die einen Pleuraerguss und eine Vorgeschichte von Unterleibsschmerzen haben, sollte differentialdiagnostisch an ein TES gedacht werden. Auch, wenn bei einer Frau im gebärfähigen Alter ein bösartiger Erguss in Betracht gezogen wird, sollte ein TES erwogen werden.
Nach der Operation kommt es bei einigen Patienten dennoch zu einem Wiederauftreten (unsere Patientin war bei einer Nachuntersuchung 2 Jahre nach der Resektion allerdings symptomfrei).
Die Erkrankung spricht auf Hormone an, weshalb Progesteronpräparate oder Gonadotropin-Releasing-Hormon-Agonisten erwogen werden können, wenn die Patientin stabil ist oder als Ergänzung zu einer chirurgischen Behandlung.5 

Referenzen:
1. Chen, M.-L. & Li, C.-Y. Thoracic Endometriosis. New England Journal of Medicine 385, e65 (2021).
2. Adesanya, O. A. & Kolawole, O. E. Thoracic endometriosis syndrome: Cutting the gordian knot – A case report and review of the literature. International Journal of Surgery Case Reports 66, 68–71 (2020).
3. Prämenstruelle Schmerzen: Ab wann wird es kritisch? Medscape http://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4908232.
4. Andres, M. P. et al. Extrapelvic Endometriosis: A Systematic Review. J Minim Invasive Gynecol 27, 373–389 (2020).
5. Singh, M., Singh, R. B., Singh, A. B., Carballo, A. L. & Jain, A. Thoracic Endometriosis: Still a Diagnostic Dilemma. Cureus 13, (2021).