Der medizinische 3D-Druck ist massiv im Aufwand. Überall auf der Welt wird mit Bioprinting experimentiert und geforscht – auch in der Pneumologie.
Drucken Sie Ihren Patienten schon neue Lungen aus? Der eine oder die andere Leserin hat sich möglicherweise bereits einen 3D-Drucker angeschafft. Wenn auch vorerst eher für zuhause als für die Praxis, wie wir vermuten würden. Die Dinger sind ja mittlerweile als Low-Cost-Variante schon für wenige hundert Euro über Amazon zu bestellen. Dass der 3D-Druck offenbar schwer im Kommen ist, hatten wir schon mitgekriegt. Erfahrungen im Praxisalltag fehlen uns aber bisher. Vor diesem Beitrag hatten wir uns noch keine konkreten Gedanken über den pneumologischen Einsatz des Bioprintings gemacht.
Und Sie? Glauben Sie, dass menschliche Organe im Jahr 2030 – also in einem guten Jahrzehnt – per 3D-Druck hergestellt werden können? Das tun immerhin 27% der ärztlichen Kollegen, so das Ergebnis einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom in Zusammenarbeit mit dem Hartmannbund vor einem Jahr. Fast die Hälfte der befragten "477 Ärzte aller Funktionen und Fachrichtungen" aus Krankenhaus und Niederlassung gaben sich überzeugt, dass die Herstellung von Prothesen und Implantaten im 3D-Druckverfahren zu diesem Zeitpunkt alltäglich sein wird.
Der Einsatz des Ersatzknies aus dem 3-D-Drucker ist heute schon Realität – etwa am Klinikum Dortmund (in dieser Hinsicht nach Selbsteinschätzung "Vorreiter in Deutschland"). Mit Blick auf Organe wie die Lunge ist das Ganze aber noch Zukunftsmusik, unsere Eingangsfrage war natürlich rhetorischer Natur. Allerdings inspiriert von einem aktuellen Forschungsbericht aus dem U.S. Department of Veteran Affairs.
Darin geht es um die Entwicklung eines 3D-Druckverfahrens zur Produktion künstlicher Lungen, um die Behandlung von hyperkapnischen Patienten, etwa im Endstadium einer COPD, zu erleichtern und kostengünstiger zu gestalten. Knapp 16% aller US-Veteranen leiden an einer COPD.
Einen ersten, etwa 0,5 Zoll (1,27 cm) großen Prototypen gibt es mittlerweile. Er baut auf einer 2D-Version in traditioneller Fabrikationstechnik auf und ist wie diese effizient genug, um mit Luft statt reinem Sauerstoff als Ventilationsgas zu arbeiten. Der leitende Wissenschaftler Dr. Joseph Potkay forscht als biomedizinischer Ingenieur beim VA Ann Arbor Health Care System und an der Universität Michigan. Ihm zufolge wird in diesem Projekt erstmals hochauflösender Polymer-3D-Druck eingesetzt, um mikrofluidische Lungen mit dreidimensionalen Blutflussnetzen herzustellen.
Am Ende soll das Printprodukt in einen Rucksack oder eine Bauchtasche passen. Außer tragbar soll es auch kompatibel mit lebendem Gewebe und fähig zur kurz- und langfristigen Atmungsunterstützung sein. Neben der sehr schweren COPD könnte etwa auch das ARDS als Indikation für einen – dann temporären – Einsatz der 3D-gedruckten Lunge in Frage kommen. Wann es allerdings soweit sein wird, lässt sich noch nicht sagen. Nach Abschluss der bis Ende nächsten Jahres laufenden Studie soll es in den Tierversuch gehen, höchstwahrscheinlich mit Schafen.
Die Vermeidung von Tierversuchen zählt übrigens zum mannigfaltigen Verheißungs- und Anwendungsspektrums des Bioprintings, dem kürzlich in einem Artikel auf Zeit Online unter dem Titel "Wann drucken wir uns gesund?" nachgegangen wurde. Darin wird erwähnt, dass der US-amerikanische Konzern Organovo "mit 3-D-Druckern kleine Stücke Leber- und Nierengewebe" für pharmazeutische Arzneimitteltests herstellt.
Das Ausdrucken ganzer Organe zu Transplantationszwecken ist noch Vision und in nicht datierbarer Ferne. "Maßgeschneiderte Atemwegsprothesen aus dem 3D-Drucker" sind dagegen "keine Science Fiction", wie das UniversitätsSpital Zürich vor einem Jahr mitteilte. In einem kooperativen Forschungsprojekt sollen 1.) "pharmazeutische Tinten" entwickelt, 2.) anhand von CT-Aufnahmen daraus 3D-Stents für Luftröhre und Bronchien hergestellt und 3.) diese praktisch erprobt werden.
Ganz neu ist dieser Ansatz nicht. Bereits 2009 wurde an der University of Michigan ein 20 Monate altes Kleinkind mit Tracheobronchomalazie mit einer bioresorbierbaren Schiene aus dem 3D-Printer versorgt. Auch hier war das Produkt vorher CT-gestützt am Computer modelliert worden. Drei Wochen nach der komplikationsfrei verlaufenen Operation konnte das Kind ohne künstliche Beatmung entlassen werden.1
Die additive Fertigung als solche ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Über ein gedrucktes Volumenmodell wurde bereits 1981 berichtet.2 Das Patent für den ersten 3D-Drucker meldete Charles Hull im Jahr 1984 an.
Kann so ein kostengünstiger 3D-Printer auch ohne Biotinte und jenseits von High-End-Forschung im klinisch-pneumologischen Setting eingesetzt werden? Ja, kann er.
Aus der pneumologischen Abteilung der Jichi Medical University in Shimotsuke, Tochigi (Japan), wurde kürzlich der Fall eines 89-jährigen Patienten mit schwerer Pneumonie berichtet.3 In der CT-Untersuchung zeigte sich ein Fremdkörper im linken Hauptbronchus. Die Kliniker formten das Gebilde mit einem Billig-3D-Drucker nach und stellten fest, dass es sich um die Gestalt eines Zahns handelte. Das Printprodukt nutzten sie anschließend zur Simulation der Extraktion, die in der Trockenübung mit Fangkörbchen und Haizahn-Zange gelang.
Nach Besserung des respiratorischen Zustands des Patienten wurde eine Bronchoskopie durchgeführt. Der dentale Fremdkörper hatte sich zwischenzeitlich bewegt und war im rechten oberen Bronchus stecken geblieben. In der insgesamt 9-minütigen Prozedur konnte der Zahn wie im Simulationstraining sicher mit Fangkörbchen und Haizahn-Zange entfernt werden.
Referenzen:
1. Zopf Da et al. Bioresorbable airway splint created with a three-dimensional printer. N Engl J Med. 2013; 368(21):2043-5
2. Kodama H. Automatic method for fabricating a three-dimensional plastic model with photo-hardening polymer. Rev Sci Instrum 1981;52:1770–3
3. Nakayama M et al. Use of low‐cost three‐dimensional printer to simulate grasping of bronchial foreign body. Respirol Case Rep 2018;6(7):e00351. doi: 10.1002/rcr2.351
Abkürzungen:
ARDS = akutes Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome)
CT = Computertomografie