Krebstherapie: Vergesst die Angehörigen nicht

Zahlreiche Tumortherapien erlauben es heute bereits, zumindest zeitweise im häuslichen Umfeld zu verbleiben. Die Pflege wird dann häufig von den nahen Angehörigen, wie z. B. Ehepartner:innen, übernommen. Eine solche Situation bedeutet jedoch eine enorme psychische Belastung für die pflegenden Angehörigen, die damit noch immer allzu oft allein bleiben.

Die Unterstützung pflegender Angehöriger kann negative emotionale Störungen lindern

Zahlreiche Tumortherapien erlauben es heute bereits, zumindest zeitweise im häuslichen Umfeld zu verbleiben. Die Pflege wird dann häufig von den nahen Angehörigen, wie z. B. Ehepartner:innen, übernommen. Eine solche Situation bedeutet jedoch eine enorme psychische Belastung für die pflegenden Angehörigen, die damit noch immer allzu oft allein bleiben. 

In der Regel werden die täglichen Bedürfnisse pflegender Angehöriger in diesem Lebensabschnitt nicht befriedigt. Das schafft Unzufriedenheit und Stress, fördert zudem Ängste und führt nicht selten in die Depression.

Eine aktuelle Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen solchen unbefriedigten täglichen Bedürfnissen und den psychischen Folgen. Dazu wurde eine Querschnittstudie mit Selbstauskunftsfragebögen für Betroffene durchgeführt. Insgesamt 237 pflegende Angehörige nahmen an dieser Studie teil und füllten soziodemografisch-medizinische Fragebögen aus, die Depression Anxiety Stress Scale und die Needs Assessment of Family Caregivers-Cancer Scale.

Unbefriedigte Bedürfnisse erhöhen den Stress

Tagtäglich unerfüllte Bedürfnisse – beispielsweise genügend Zeit für die eigene Körperpflege und die eigene Psyche zu haben – führten bei den Angehörigen, insbesondere während mittlerer Behandlungszeiten zwischen sechs und neun Monaten, zu signifikanten Gemütsveränderungen (ps < 0,05). Der allgemeine Leidensdruck nahm in dieser Zeit zu (b = 4,93*), ebenso der Stress (b = 2,26).

Während der chronischen Behandlungsphase (> 9 Monate) bestand darüber hinaus ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem unerfüllten persönlichen Pflegebedarf und der empfundenen Gesamtbelastung (b = 5,91), der Ängstlichkeit (b = 1,97) sowie des Stress-Levels (b = 2,53).

Nach Abschluss der Behandlung waren unerfüllte Bedürfnisse beim Funktions-Management nur noch signifikant mit Stress (b = -1,59) verbunden. Allerdings zeigte sich bei den pflegenden Angehörigen ebenso ein Risiko für eine höhere Depressivität. 

Persönliches Pflegebedürfnis unzureichend erfüllt

Die Studie zeigte, dass gerade die langwierigen Krebsbehandlungsphasen den größten Einfluss auf die Psyche und die Stimmungslage pflegender Angehöriger haben. Persönliche Bedürfnisse der Pflegenden treten zurück, sodass tägliche Aktivitäten und Emotionen kaum noch Raum erhalten.

Unerfüllte Wünsche in der persönlichen körperlichen und geistigen Fürsorge hatten die größten Auswirkungen auf den negativen emotionalen Gesamtzustand. Auch litten pflegende Angehörige aufgrund dessen vermehrt unter Stress.

Was bedeutet das für die Praxis?

Eine Krebserkrankung eines nahen Angehörigen ist per se bereits ein stressreiches Ereignis im Leben. Steht aus medizinischer Sicht auch erst einmal "nur" der Krebspatient selbst im Mittelpunkt des Interesses, so dürfen die pflegenden Angehörigen dabei nicht vergessen werden.

Auch diese haben Bedürfnisse und Ansprüche, die weiter erfüllt werden müssen, damit keine negativen emotionalen Störungen daraus resultieren. Insbesondere während mittlerer und chronischer Behandlungsphasen wäre es daher nach Ansicht der Studienautor:innen sehr hilfreich, den pflegenden Angehörigen mehr Aufmerksamkeit und wo nötig auch Unterstützung zukommen zu lassen.

Quelle und Info zur Methodik:
Yang WFZ et al., Cancer caregivers unmet needs and emotional states across cancer treatment phases. PLoS ONE 16(8): e0255901. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0255901